Xiahe und Labrang-Kloster

Endlich nach einigen tollen Tagen kommen wir wieder zum schreiben. Gerade sitzen wir mal wieder in einem Schlafzug auf dem Weg von Lanzhou nach Ürümqi. Die Nacht haben wir schon hinter uns gebracht. Michi hat seinen Rausch ausgeschlafen, nachdem er von einem Chinesen mit Schnaps abgefüllt wurde. Er hat uns auch allerlei Abstrusitäten zu essen gegeben: Hühnerfüße, Entenkopf, Knorpel… Zum Glück war auch gutes Fleisch dabei, das Michi und ich essen konnten, Jana hat den Rest gegessen. Am besten fand sie die Knorpelfett-Scheiben… 

Nachdem Iuliia in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai in Lanzhou angekommen ist, haben wir uns am nächsten Tag gleich auf den Weg nach Xiahe (Provinz Gansu) gemacht, ein kleines Städtchen auf knapp 3000 Metern, wunderschön zwischen Grasland und Bergen gelegen und laut Reiseführer einer der letzten Orte in ganz China, wo man noch ein authentisches Tibet erleben kann. Xiahe gehört zwar zur Provinz Gansu, liegt aber im früheren Nordosttibet. Die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus Tibetern und Moslems – was ein ganz anderes Bild von „China“ ergibt als an den bisherigen Orten – mit Iuliias Worten gesagt: „This is totally not China!“

Die Busfahrt dorthin war auch schon toll. Den eigentlichen Bus konnten wir nicht nehmen, da keine Plätze mehr frei waren. Wir sind dann mit einem anderen gefahren, hätten umsteigen müssen. Wie es aber das Glück – oder der Busfahrer – so wollte, wartete dann schon ein Auto auf uns, das uns noch die letzte halbe Stunde nach Xiahe brachte. Auf der ganzen Fahrt waren überall Moscheen in echt toller Landschaft zu sehen. Umso bergiger es wurde, umso mehr gab es statt der Moscheen buddhistische Tempel und Klöster.

Untergekommen sind wir in einem Hostel – das schönste bisher, ganz in tibetischem Stil alles mit Holz verkleidet. Die Betten waren erhöhte Podeste mit Teppichen drauf. Alles bunt verzier, alles sauber – mal wieder ein Ort, an dem wir uns wohl fühlen konnten. Als die Kinder im Bett waren, saßen wir noch um den schönen Ofen. Auf einmal kamen ganz viele Tibeter rein, der Raum war rappelvoll, eine Frau mit einem riesigen Bündel Katas kam herein. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die Besitzerin des Hostels, die gerade von Ihrer über zweimonatigen Pilgerreise nach Lhasa zurückkam. Das musste natürlich gefeiert werden, wobei die Frauen alle ganz brav an einem Tisch saßen und die Männer sich am anderen Tisch die Kante gaben. Wir wurden dann von ein paar chinesischen Mädchen, die auch im Hostel untergekommen sind, zu einem oder mehreren Bieren eingeladen, was aber recht komisch ausging. Die eine war etwas seltsam, wusste ständig alles besser, hatte ziemlich komische Ansichten, hat sich schließlich noch an Iuliia rangemacht und wollte einfach nicht akzeptieren, dass die keinen Onenightstand mit ihr haben wollte. Glücklicherweise sind die am nächsten Tag frühs, noch bevor wir aufgestanden sind, abgefahren.

Die Hostel-Besitzer waren total liebe Leute. Sie hat uns ganz viel von ihrer Reise erzählt. Unter anderem führte ihr Weg durch ein Gebiet, wo es noch die Bön-Religion gibt. Laut einer Legende gab es vor langer langer Zeit einen Shijiamuni-Buddha in Xining (Provinz Qinghai), der nach Lhasa gepilgert ist. Er kam auch durch diese Region durch. Die Anhänger der Bön-Religion waren aber ganz böse Leute, die den Buddha vergiften wollten. Der wusste aber Techniken, wie er das Gift wieder durch seine Fingern aus seinem Körper herauslegten konnte. Also starb er nicht, sondern konnte weiter nach Lhasa, von wo aus er die Schrift und Kultur der Tibeter nach Qinghai und Gansu brachte. Seitdem traut kein Tibeter mehr den Menschen aus dieser Gegend. Wenn Sie eine Pilgerreise nach Lhasa machen, dann müssen sie sich vor dieser Strecke mit genügend Proviant eindecken, dass Sie durchhalten, bis sie dieses Gebiet hinter sich haben. Dann erst dürfen sie wieder Essen und Trinken von anderen annehmen. Von dieser Gegend hat sie auch noch andere Schauergeschichten erzählt, unter anderem dass zwei Personen anscheinend eine Abkürzung über einen Berg genommen haben, statt außen herum zu gehen. Sie sind von einem Tier bis auf Haare und Kleidung komplett verspeist worden – angeblich war es ein Bär. 

Von Tibet, d.h. Lhasa, Shigatse etc. selbst war sie nicht so begeistert. Sie meinte dort leben fast nur noch schlechte Menschen, da die ganzen Lamas, Mönche und guten Menschen nach Nepal und Indien geflohen sind. Die fehlenden Lamas und Mönche können auch keinen positiven Einfluss mehr nehmen. Selbst sie als Tibeterin ist mehrmals übers Ohr gehauen worden. Außerdem gibt es inzwischen ganze Gebiete, die nur noch für Touristen und Han-Chinesen offen sind, Tibeter selbst dürfen gar nicht hin. Insgesamt klang sie doch eher enttäuscht und meinte dann auch, dass sie von der Reise gelernt hat, dass es bei ihr zu Hause in Xiahe am schönsten ist. Sie meinte hier gebe es keine schlechten Menschen, die einen betrügen, bestehlen oder anderweitig schlechtes wollen. Den Eindruck können wir echt bestätigen. Die Menschen waren so nett alle, des Öfteren wurde uns die Zunge rausgestreckt und wo wir auch hinkamen haben Jana und Leo was geschenkt bekommen. 

Wir sind natürlich auch nicht nur im Hostel gesessen und haben uns unterhalten. Am ersten Tag wollten wir erst mal unser Bedürfnis nach Natur stillen und sind einen Hügel hochgestiegen durch schönen Nadelwald, wo wir sage und schreibe sogar zwei wilde Hasen gesehen haben! Die Kinder konnten nach einigen Höhenmetern leider nicht weiter, also bin ich mit ihnen umgekehrt und Michi und Iuiia sind noch bis auf 3500 Meter hoch. Der Weg führte uns am Labrang-Kloster entlang, wo Jana eine neue Leidenschaft entdeck hat: das Gebetsmühlen drehen. Sie hat sich immer beschwert, wenn andere vor ihr die Mühlen mit so viel Schwung angedreht haben, dass es für sie zu schnell ging. Am meisten Spaß hat es natürlich gemacht, die riesigen Gebetsmühlen in den Häuschen anzudrehen, dass alle mitrennen mussten. Für Leo war es zu schnell, der ist dann immer weggeflogen. Schwierig war auch, es Jana verständlich zu machen, dass die Mühlen nur in eine Richtung gedreht werden dürfen. Überhaupt kamen von ihr sehr viele Fragen zum Thema Kloster, Beten, Mönche, Gott und Götter. Da kommt man beim erklären manchmal ganz schön ins schwitzen. Warum Knien sich die Tibeter beim Beten hin, rutschen dann vor bis sie auf dem Bauch liegen, stehen wieder auf und wiederholen das unzählige Male? (Jana: Boah, der ist aber dreckig!) Was sind Gebetsfahnen? Warum beten die Mönche immer? Jana hat mich dann einmal gefragt, wo die Sterne herkommen. Ich meinte, sie solle lieber Michi fragen, der wüsste das besser. Daraufhin meinte sie, sie könne die Frage ja auch auf eie Fahne schreiben und der Wind würde sie dann zu Gott tragen. Gott könne uns dann wieder die Antwort schicken.

   

  

 

Einen Tag haben wir im Grasland verbracht, wo wir das unglaubliche Glück hatten, einen Pinkes Geldbeutel zu finden. Als wir gerade dabei waren, den Eigentümer ausfindig zu machen, kam schon eine Tibeterin angeritten. Es war ihrer und sie hat uns dann zu sich eingeladen. Jana und Leo dürften auf ihrem Pferd reiten, Zuhause bei ihr gab es Tsampa und Milchtee, Familienfotos wurden ausgetauscht und Jana und Leo dürften ihr noch helfen, ein Schaf von der Weide zu holen, das sich das Bein gebrochen hatte.

     

 

Am letzten Tag haben Jana und ich uns tibetisch eingekleidet. Wir haben das Kloster angeschaut, den Mönchen beim debattieren und beten zugeschaut und das Kloster inklusive Drehen aller Gebetsmühlen umrundet. Am nächsten Morgen ging es dann zurück nach Lanzhou, von wo aus wir dann in diesen Zug gestiegen sind. Wir waren alle sehr traurig, diese schöne Gegend wieder verlassen zu müssen. 

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